Bericht: Forecasting in Bibliotheken: Welche Methoden nutzen Bibliotheken, um ihre Zukunft zu verstehen? Welche Themen interessieren sie?

[Als Nummer 02 der losen Reihe „Berichte des Bureau für Bibliothekswissenschaft“]

Bericht bei E-LIS: http://hdl.handle.net/10760/42896

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Zusammenfassung

Fragestellung

Bibliotheken befassen sich immer wieder mit der Frage, wie sie sich in Zukunft entwickeln werden, welche Trends sich darauf auswirken werden, wie sie in Zukunft genutzt werden und welche Aufgaben sie dann haben werden. Solche Voraussagen über die Zukunft werden in Bibliotheken genutzt, um strategische Entscheidungen zu treffen (beispielsweise um Bibliotheksstrategien zu entwerfen, über Neu- und Umbauten zu entscheiden oder darüber, welche neuen Angebote eingerichtet werden). Gleichzeitig ist bekannt, dass die Zukunft schwer vorherzusagen ist. Deshalb wurden ‒ ausserhalb des Bibliothekswesens ‒ mehrere Methoden entwickelt, um diese Vorhersagen zumindest systematischer zu machen, da es trotz dieser Unsicherheit immer einen Bedarf an ihnen zu geben scheint.

Methode und Daten

Um zu klären, mit welchen Methoden im Bibliothekswesen vorgegangen wird, um die Zukunft zu bestimmen und welche Themen dabei mit welchen Ergebnissen behandelt werden, wurde ein Korpus von insgesamt 117 Texten, die zwischen 2010 und 2020 mit solchen Vorhersagen publiziert wurden, methodisch ausgewertet. Diese Texte wurden durch eine systematische Recherche in den beiden bibliothekarischen Fachdatenbanken LISA und LISTA gefunden. Sie stellen aufgrund des Fokus dieser Datenbanken nicht alle solche Texte dar, welche in diesem Zeitraum erschienen sind, aber doch einen ausreichend diversen Korpus, um an ihm Grundtendenzen zu erkennen. Zu erwarten ist z.B., dass sich in diesem Korpus bestimmte inhaltliche Cluster zu Fragen, Ergebnissen und Methoden bilden, über die ein gewisser Konsens besteht.

Ziele

Ein Blick auf die grössten Cluster dazu, warum solche Texte überhaupt erstellt werden, zeigt zum Ersten, dass diese nicht sehr gross sind. Anders gesagt: Es gibt keinen richtigen Konsens über Zukunftsthemen für Bibliotheken. (Dies zeigte sich auch in der weiteren Auswertung.) In der folgenden Tabelle sind die fünf grössten dieser Cluster dargestellt. Zumeist geht es allgemein darum, zukünftige Aufgaben oder Trends zu bestimmen, nicht um konkrete Themen oder Aussagen.

Ziel der VorhersagenAnzahl
Zukünftige Aufgaben von Bibliotheken bestimmen23
Trends benennen18
Techniktrends benennen15
Reflexion über Zukunftsvorhersagen9
Methode überprüfen / Über Anwendung einer Methode berichten7

Ergebnisse

Diese inhaltliche Breite zeigt sich auch, wenn man sich die konkreten Ergebnisse des Nachdenkens über die Zukunft anschaut, die sich in diesen Texten finden. Sie sind sehr allgemein gehalten: Es werden (allerdings viele unterschiedliche) Techniktrends als wichtig bezeichnet. Es wird versichert, dass Bibliotheken auch in Zukunft existieren werden. Und gleichzeitig wird betont, dass sie sich mit Trends auseinandersetzen müssen. Konkrete Aussagen finden sich auch in vielen Texten, dann allerdings oft ohne, dass andere Texte von den gleichen Ergebnissen berichten.

Hauptaussagen / ErgebnisseAnzahl
Methode funktioniert / muss angepasst werden; Techniktrendsje 10
Bibliotheken werden nicht untergehen8
Bibliotheken müssen sich mit Trends auseinandersetzen; Die Aufgaben der Bibliotheken werden sich verändern; Es wird mehr Zusammenarbeit (zwischen Bibliotheken) geben; Unklarje 5

Methoden

Hinsichtlich der Methoden, welche verwendet werden, um Vorhersagen über die Zukunft von Bibliotheken zu generieren, zeigt sich, dass diese selten systematisch unternommen werden. In der Tabelle sind die fünf häufigsten Vorgehensweisen aufgezählt. Erst an fünfter Stelle findet sich eine explizite Methode. Zumeist aber stellen kompetente Personen ‒ meist direkt Bibliothekarinnen und Leiterinnen von Bibliotheken ‒ auf der Basis ihres professionellen Wissen Voraussagen auf. Diese sind dann, wie erwähnt, thematisch oft unterschiedlich und ‒ weil nicht systematisch gewonnen ‒ oft schwer nachvollziehbar.

Auffällig ist auch, wie wichtig Trendberichte (die methodisch unterschiedlich erstellt werden) für Bibliotheken sind. Allerdings zeigt sich im Korpus auch, dass es eine Zeit (2010-2015) gab, in der viele Trendberichte (Horizon Report, IFLA Trends, Technologieradar der Zukunftswerkstatt e.V. usw.) erstellt wurden, dass dann aber viele ihr Erscheinen eingestellt haben und das die weiterhin publizierten nur noch selten zitiert werden.

MethodenAnzahl
Eigene Meinung / eigenes Wissen53
Trendbericht14
Auswertung von Trendberichten12
Literaturauswertung10
Szenarien9

Praktisch Bedeutung

Einzelne Bibliotheken und das Bibliothekswesen im Ganzen können die Ergebnisse dieser Studie gewinnbringend nutzen. Es wird sichtbar, dass über die Texte hinweg eine allgemein positive Grundstimmung vermittelt wird: Bibliotheken, so der eine nachweisbare Konsens, werden auch in Zukunft bestehen und neue Aufgaben gefunden haben. Es gibt keinen Grund für Pessimismus.
Gleichzeitig gibt es Methoden zur Generierung von Aussagen über die Zukunft, die (teilweise mehrfach) erprobt wurden und sich im Bibliothekswesen einsetzen lassen: Szenarien, Fokusgruppen, Delphi-Methode.

Die Themen, welche in den einzelnen Texten angesprochen wurden, sind sehr divers, können aber trotzdem ‒ da sie ja nicht ohne Grund gemacht wurden ‒ als Anregung genutzt werden.

Gleichzeitig stellt diese Studie auch dar, dass es keinen Konsens über die Zukunft der Bibliotheken, Trends oder Megatrends gibt. Es liegt, entgegen mancher Behauptung von meinungsstarken Personen im Bibliothekswesen, immer in der Verantwortung (aber auch im Möglichkeitsraum) einzelner Bibliotheken, zu entscheiden, welche Zukunft sie anstreben wollen.

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